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Die alte Vorreitner-Bäuerin (Olga Kremsreiter)
hat den Hof an ihren Sohn Sixtus (Andy Hackl)
übergeben. Und nun gerät einiges in Bewe-
gung. Nicht nur, dass der Jungbauer mit alten
Bräuchen bricht und mitten im Jahr eine neue
Stallmagd (Gabi Wilhelm) einstellt er versucht
auch neue Technik auf dem Hof einzuführen.
Als erster Bauer im ganzen Gäu will er das
Elektrische auf seinem Hof haben. Der Vieh-
händler Girgl (Max Duschl) steht ihm dabei mit
Rat und Tat zur Seite und vermittelt ihm den
Kontakt zum Elektroingenieur, zum Liacht-
mann (Markus Kremsreiter). Die Stromagentur
scheint für Girgl ein noch lohnenderer Neben-
erwerb als das Heiratsschmusen, weil die
Bauemstochter Leni (Tanja Eisner) nichts von
seinen Angeboten hält. Wenig Verständnis für
die Funktionsweise des elektrischen Stromes
herrscht bei den Knechten und Mägden auf
dem Hof. Die g'schaftige Magd Mirl (Lisbeth
Weiß) versteht ebenso wenig wie der etwas
schwerfällige Knecht Korbi (Wemer Waldbach)
und der vorlaute Jungknecht Ignaz (Walter
Kremsreiter). Wenn der Rossknecht Wastl
(Hans Grimbs) auch vorgibt alles zu verstehen,
so stellt sich doch schnell heraus, dass das
Elektrische auch für ihn ein unbegreifliches
Phänomen ist. Als weltgewandter und weit
herumkommender Mann kann natürlich der
Scherfanger (Mundl Angerer) im wahrsten
Sinne Licht in die Angelegenheit bringen, wenn
auch seine Erklärung "Ja, in der Nacht geht
des Elektrische natürlich net" die Dienstboten
schon ein wenig ent- täuscht. Groß ist daher
die Freude bei allen, als nach langer Vorberei-
tung endlich das elektrische Licht brennt und
„alles so hell ausleuchtet.“ Das Stück "Der Fort-
schritt kimmt" gehört zweifellos zum Bereich
der Bauemtheater. Die handelnden Personen
gehören, mit Ausnahme des „Liachtmanns" alle
zum Bereich des bäuerlichen Lebens zu
Beginn des vorigen Jahrhunderts. Der Autor
des Stückes "s'Elädrische", so der Originaltitel,
ist Peter Landsdorfer.
Alle
drei
Akte
spielen
auf
dem
Vorreitner-Hof,
irgendwo
in
Bayern
und
in
einer
Zeit,
in
der
die
Technisierung
auf
dem
Land
noch
nicht
Einzug
gehalten
hat.
Noch
wird
die
meiste
Arbeit
von
Hand
erledigt
und
eine
große
Zahl
von
Knechten
und
Mägden
ist
nötig,
um
die
alltägliche
Arbeit
zu
verrichten.
Aber
die
Zukunft
lässt
sich
schon
erahnen,
der Fortschritt "steht vor der Tür".
Der
dritte
Akt
spielt
sich
zum
Teil
vor
dem
Vorhang
ab.
Aus
diesem
Grund
haben
wir
den
vorderen
Teil
des
Theatersaals in einen Hofinnenraum umgestaltet, rechts und links sind Scheunenwände mit altem Bauerngerät.
Die Scheinwerfer auf der Bühne, das Licht im Gang, die Pumpe der Heizung, der Kühlschrank für das Pausen-
getränk, der Ofen für den warmen Leberkäs, der Kopierer für dieses Programmheft ... Schier endlos ist die Liste der
Einrichtungen, die elektrischen Strom benötigen. Aus unserem Leben ist er nicht mehr wegzudenken und wenn wir
nur einmal einen Stromausfall haben, dann wissen wir, wie abhängig wir von der Elektrizität sind. Andererseits ist
uns der Strom so selbstverständlich geworden, dass wir kaum mehr an seine Bedeutung für unser Leben denken.
Das war nicht immer so: Die erste, urkundlich nachgewiesene Elektrizitätsversorgung im ehemaligen Bezirksamt
Wolfstein erhielt Waldkirchen. Ende 1895 beauftragte der Mühlenbesitzer Anton Süß den Landshuter Strompionier
und Mechanikermeister Weiß, in Waldkirchen ein Elektrizitätswerk zu errichten. In einer Notiz des Bezirksamtes
vom Oktober 1896 kann man lesen: „Im Markte Waldkirchen ist die elektrische Beleuchtung schon seit längerer Zeit
eingeführt." 1914 gab es im Bezirksamtsgebiet bereits 10 E-Werke, darunter auch bereits in Jandelsbrunn. Ein tech-
nisches Wunder war dabei das 4500 PS Kraftwerk für das Karbidwerk in Aigenstadl. (zum Vergleich: Waldkirchen
wurde mit einem 30 PS-Werk versorgt, Jandelsbrunn mit einem 8 PS-Kraftwerk). Wie gut man sich die Ausstattung
der Häuser mit elektrischem Strom vorstellen muss, zeigt das Beispiel des Krankenhauses in Waldkirchen. Aus elf
Glühlampen bestand die Beleuchtungsanlage im Jahre 1897. Die Rechnung für die Installation betrug 380,40 DM.
Darin enthalten waren sechs Reservelampen zu je 80 Pfennig.
Übrigens: Die letzten Häuser erhielten ihren Stromanschluss erst in der Zeit nach 1960. Das Staunen über „das
Elektrische" dürfte bei ihnen nicht mehr so groß gewesen sein, wie bei den Leuten auf dem Vorreitner-Hof so um
1910.